Die enorme Sprengkraft der Gemälde von Jiyun Cheon (*1981) und Michael Klipphahn (*1987) entwickelt sich abseits Ihrer Sujets in der unmittelbaren Betrachtung, in den Rollen, die sie uns als Betrachter zuweisen, in den Blickbeziehungen, die sie durch ihre Machart provozieren. Dabei führen sie uns auf beindruckende Weise die kulturelle und soziale Konstruktion von Blickbeziehungen sprichwörtlich vor Augen und stellen tradierte Blickregime zur Disposition, die sich trotz aller kulturellen und sozialen Wandel über Jahrhunderte bis heute erhalten haben. Wie etwa die Kategorie Geschlecht, die innerhalb der Blickbeziehungen verhandelt wird. So sind es nach wie vor vornehmlich Frauen, die zum passiv geprägten Bildobjekt gemacht werden, während der aktive Betrachter als männliches Konstrukt erscheint.
Wer jedoch vor den Arbeiten Cheons oder Klipphahns steht, ist sich bei längerer Betrachtung seiner „Betrachterrolle“ keineswegs mehr sicher. Ist es der eigene Blick oder ist es vielmehr der konditionierte Blick eines impliziten Betrachters, der unsere Eindrücke und unser Urteil bestimmt. Sind wir tatsächlich Betrachter oder vielmehr betrachtetes Objekt? Die Bilder von Cheon und Klipphahn spielen ganz gezielt mit den dahinter verborgenen Konventionen und avancieren damit zu Kampfplätzen solcher Wahrnehmungs- und Blickregime.
Neben dem Spiel mit dem Betrachter ist das Ausweglose der menschlichen Existenz ein Grundzug aller Werkphasen der Künstlerin Jiyun Cheon. Ihrer filigran anmutenden Arbeiten bestechen durch eine meisterhafte malerische Präzision, die den Betrachter unmittelbar für sich einnimmt. Dabei stehen das sanft anmutende Kolorit sowie die regelrecht poetische Inszenierung Ihrer Arbeiten häufig im krassen Gegensatz zur Brutalität des Sujets. Die Faszination, die Ihre Werke auslösen, ist damit immer mit einem Schock- und Verunsicherungsmoment verknüpft. Der Betrachter ist dabei nie nur einfach Betrachter, sondern er wird zum Zeugen, Voyeur, Mittäter oder selbst zum Bildgegenstand.
Die Werke Michael Klipphahns oszillieren von der ersten Sekunde an unentwegt zwischen absoluter Distanz und intimer, fast unerträglicher Nähe. Sie bestechen durch eine hyperrealistische Formensprache, einem klaren kompositionellen Aufbau und einer absolut planen Bildoberfläche, die keine Rückschlüsse auf den Malprozess und damit auf den Künstler als Schöpfer des Werks zulässt. So bleibt der Betrachter mit den Werken sprichwörtlich „alleine“, deren Sujets aus Popkultur und der Welt der „Digital Natives“ entspringen. Dabei rücken der Mensch und im Hinblick auf die digitalen Medien neu zu verhandelnde Frage der Identität sowie das Verhältnis von Individuum und Gruppe ins Zentrum der Arbeiten.
Vernissage am Donnerstag, 4. April 2019 von 18-21:30 Uhr, Westermühlstr. 3 (Innenhof), München-Isarvorstadt (Details und Anmeldung).
Die Ausstellung ist zusätzlich geöffnet am 5. und 6. April 2019 von 11-18 Uhr.
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